"Die Demokratie wird nicht durch KI gerettet, sondern durch Menschen!"
Ein Blog von Ignacio Packer, Geschäftsführer Caux Initiativen der Veränderung
13/10/2025
Stockholm, 13 October 2025
Am vergangenen Freitag haben wir im Rahmen der Genfer Demokratiewoche eine Debatte im Oxford-Stil zum Thema “Dieses Gremium ist der Ansicht, dass KI die Demokratie retten wird.” mitveranstaltet. Die Debatte war inspirierend, lebhaft – und letztendlich ernüchternd. Denn die Wahrheit ist einfach: KI wird uns nicht retten. Das zu glauben, wäre nicht nur naiv, sondern auch gefährlich.
Im Caux Palace, unserem Zentrum für Dialog und Vertrauensbildung oberhalb von Montreux in der Schweiz, veranstalten wir Gespräche an einem Ort, der zum Zuhören einlädt. Dort wird mir klar, was die Demokratie schützen kann:
- Starke, durchsetzbare Regeln, die mit der sich rasch entwickelnden Technologie Schritt halten.
- Neu gestaltete Anreize – was wir belohnen, fördern oder bestrafen –, um private und öffentliche Interessen in Einklang zu bringen.
- Investitionen in Menschen – Aufbau der Fähigkeiten, Gewohnheiten und des Mutes, die für eine verantwortungsvolle Teilhabe erforderlich sind.
Ich schreibe diese Zeilen aus Stockholm, wo diese Woche der Inner Development Goals (IDG) Summit beginnt. Während die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) Ziele für die Welt festlegen, konzentrieren sich die IDGs auf die inneren Fähigkeiten, die erforderlich sind, um diese Ziele zu erreichen: Empathie, kritisches Denken, Mut, Resilienz.
Diese Fähigkeiten sind heute wichtiger denn je, da KI sowohl die Stärken als auch die Risiken der Demokratie beschleunigen kann.
Die Grenzen der KI
KI zentralisiert Macht, Demokratie verteilt sie. KI kann Manipulationen in grossem Maßstab ermöglichen, Demokratie basiert auf verantwortungsvoller Überzeugungsarbeit.
Algorithmen sorgen für Schnelligkeit, wo Überlegung gefragt ist, und verbergen Entscheidungen hinter Black Boxes, wo Transparenz unerlässlich ist. Die Erfahrung mit den sozialen Medien war eine Warnung: Es wurde uns zwar mehr Vernetzung versprochen, doch das Resultat war verstärktes Misstrauen.
Bessere Werkzeuge können bessere Menschen nicht ersetzen.
Fähigkeiten, die die Demokratie stützen
Seit Jahrzehnten arbeitet Initiativen der Veränderung „von innen heraus“ daran, Integrität, Empathie, Mut und praktische Zusammenarbeit zu fördern. Diese inneren Fähigkeiten sind die Grundlage, auf der Regeln, Audits und Technologie effektiv funktionieren können.
Ohne sie verstärkt KI unsere schlimmsten Instinkte: Empörung über Nachfragen, Abkürzungen statt Verantwortung, Passivität statt Beteiligung.
Einige der Fähigkeiten, die ich persönlich zu praktizieren versuche:
- Eine lernende Denkweise, wenn Antworten zu schnell erscheinen.
- Kritisches und systemisches Denken, wenn Behauptungen „richtig klingen”.
- Empathie über Unterschiede hinweg, um verschiedene Perspektiven zu verstehen.
- Gemeinsames Schaffen, wenn die Komplexität das Fachwissen eines Einzelnen übersteigt.
- Mut, die Wahrheit zu sagen, wenn sie unbequem oder unpopulär ist.
KI kann helfen, aber sie kann diese Fähigkeiten nicht entwickeln. Demokratie hängt davon ab, dass wir Menschen sie selbst entwickeln.
Ideen in der Öffentlichkeit testen
Während der Genfer Demokratiewoche haben wir diese Ideen auf die Probe gestellt. Im Maison de la Paix diskutierten wir gemeinsam mit der Kofi Annan Foundation, DCAF, Polisync und EPFL über folgende Frage: „KI ist da, aber wird sie die Demokratie retten oder zu Fall bringen?“
Die Schlussfolgerung war klar: Technologie allein kann die Demokratie nicht retten. Menschen, Institutionen und Gemeinschaften entscheiden, ob sie sie stärkt oder untergräbt.
Eine starke KI-Governance ist unerlässlich – aber Regeln allein reichen nicht aus. Demokratie ist kein Produkt, das man herunterladen kann; sie ist eine Praxis, die es zu pflegen gilt – in uns selbst, in unseren Familien, in unseren Gemeinschaften und in unseren Institutionen.
Dies ist das Ethos des Caux-Programms für Demokratie (2024–2027) und seinen jährlichen Foren, in denen Diplomat.inn.en, Führungskräfte der Zivilgesellschaft, Jugendliche und Künstler.innen üben, über Grenzen hinweg einander zuzuhören, ehrlich zu debattieren und Verantwortung zu teilen – Fähigkeiten, die kein Algorithmus nachahmen kann.
Menschliche Handlungsfähigkeit wieder in den Mittelpunkt stellen
Bei der Caux Initiativen der Veränderung ist unsere Vision eine demokratische Welt, in der Menschen verantwortungsbewusst und in gegenseitiger Abhängigkeit handeln. In dieser Welt ist KI ein transparentes, rechenschaftspflichtiges Werkzeug, das der Menschenwürde dient. Heute entfernt uns KI oft von dieser Vision. Die Lösung besteht nicht darin, Technologie abzulehnen, sondern die menschliche Handlungsfähigkeit wieder in den Mittelpunkt zu stellen. Dazu müssen wir KI mit Nachdruck regulieren, Anreize neu gestalten und vor allem in Menschen investieren!
KI wird die Demokratie nicht retten. Das werden die Menschen tun. Nur Bürger.innen, die besser ausgebildet, besser vernetzt und besser informiert sind, können jene demokratischen Werte, die uns am Herzen liegen, aufrechterhalten. Zuerst kommen die Menschen, dann die Werkzeuge. Dann kann KI das sein, was sie sein sollte: nützlich.
Demokratie kann das sein, was sie sein muss: nämlich unsere!
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Ignacio Packer ist Geschäftsführer der Caux Initiativen der Veränderung, einer privaten Schweizer Stiftung, deren Aufgabe es ist, einen sicheren und privilegierten Raum zu schaffen, um Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen aus aller Welt zu inspirieren, auszubilden und miteinander zu verbinden, damit sie sich effektiv und innovativ für die Förderung von Vertrauen, ethischem Leadership, nachhaltigem Leben und menschlicher Sicherheit einsetzen können. Ignacio verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung in humanitärer Arbeit und Entwicklungsfragen. Er ist Experte für Menschenrechte und soziale Fragen und engagiert sich stark für den weltweiten Schutz von Migrant.inn.en und Flüchtlingen, mit besonderem Schwerpunkt auf Kindern und Jugendlichen.