Erinnerungen verarbeiten - Auf dem Weg zu menschlicher Sicherheit

Gerechte Regierungsführung für menschliche Sicherheit 2018

08/07/2018

 

Wunden, die sowohl früheren als auch unserer Generation überall auf der Welt zugefügt wurden, können nicht ignoriert werden. Sie hinterlassen Spuren und sind oft Nährboden für unverarbeitete und andauernde Konflikte. Mehr denn je braucht es Heilungsprozesse, um Gewalt zu durchbrechen und globale Veränderung zu schaffen. Diese Fragestellung war einer der Schwerpunkte der diesjährigen Konferenz Gerechte Regierungsführung für menschliche Sicherheit.

Menschliche Sicherheit wird oft von festgefahrenen Einstellungen und Beziehungen verhindert, bei denen es an Dialog und Vertrauen mangelt. „Erinnerungen zu verarbeiten ist entscheidend für menschliche Sicherheit“, sagte Jonathan Rudy, Berater bei Alliance for Peacebuilding. „Mit Liebe und Vergebung aus Feinden Freunde zu machen ist ein langer und schwieriger Prozess, bei dem wir die Gemeinschaft und einander brauchen. Es ist wichtig, all unsere Beziehungen wiederherzustellen.“ Zentral bei der Verarbeitung von Erinnerungen sei die individuelle Geschichte und Erfahrung, das Bedürfnis nach Anerkennung, der Wunsch, gehört zu werden sowie neue Verknüpfungen.

Dieses Bedürfnis wurde im Gespräch mit dem ruandischen Flüchtling Laurent Munyandlikirwa deutlich, der derzeit in Frankreich lebt. Laurent ist Hutu, heiratete jedoch eine Tutsi-Frau und verlor seine Tochter im ruandischen Genozid. Er sprach über den Schmerz, der bei der Verarbeitung von Erinnerungen durch Diskriminierung entsteht. Die Hutus hatten das Gefühl, weder die Möglichkeit noch das Recht zu haben, ihrer Freunde und Familie zu gedenken, die durch Vergeltungsmassnahmen der Tutsi während und nach dem Genozid ums Leben gekommen waren. Seine Geschichte zeigte das Bedürfnis, die Erinnerungen aller Konfliktparteien zu verarbeiten. Es ist häufig viel zu leicht, Leute in die Kategorien von Opfer und Täter oder Täterin einzuteilen, ohne dabei die Multidimensionalität von Konflikten anzuerkennen.

„Wie kann man Erinnerungen verarbeiten, wenn die Gegenwart noch immer traumatisiert?“, fragte Rajendra Senchurey, Mitglied der Delegation Dalit Rights aus Nepal und Bangladesch. Rajendra, selbst Dalit und Verfechter einer kastenlosen Gesellschaft, erklärte, Dalits würden häufig als „unberührbar“ angesehen und erlitten auf Grund ihrer Geburt verschiedene Formen sozialer Ausgrenzung, Diskriminierung und Armut. Er betonte das Bedürfnis nach Umverteilung, Vertrauensaufbau in Institutionen, gesetzliche Regelungen gegen Diskriminierung sowie besseren bildungstechnischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten. Solche Akte der Inklusion seien auf Systemebene Wegbereiter für die Verarbeitung von Erinnerungen.

Haydee Dijkstal, internationale Strafrechtlerin und Menschenrechtsanwältin, erklärte, Verarbeitung von Erinnerungen könne die Übernahme von Verantwortung und Gerechtigkeit ermöglichen, sowohl in Form traditioneller Gerichtsverfahren oder durch Wahrheits- und Aussöhnungskommissionen. Beide Wege hätten Vorzüge und Grenzen. Der gewählte Weg sei oft davon abhängig, was für die Opfer notwendig sei – die Offenlegung ihrer ganzen Geschichte oder das Zugeständnis von Tätern und Täterinnen, dafür verantwortlich zu sein.

Nicht verarbeiteter Schmerz und Traumata werden weitergegeben. Es gibt keine massgeschneiderte Lösung, die für alle angewendet werden kann. Es ist für die Verarbeitung von Erinnerungen und eine verstärkte menschliche Sicherheit notwendig, Geschichten Gehör zu schenken und sie wahrzunehmen, ungerechte und ungleiche Systeme in Frage zu stellen und sich für Gerechtigkeit einzusetzen.

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