Wie Sie Video-Konferenzen menschlicher und erfolgreicher gestalten

Von Annika Hartmann de Meuron

11/04/2021
Online computer, credit: Chris Montgomery on Unsplash

 

Vor einem Jahr wurden Videokonferenzen zur neuen Normalität in unserem Arbeitsleben. Es war der sicherste Ort für uns, um uns zu treffen und zusammenzuarbeiten. Es schien so einfach: einfach jemanden zum Gespräch einladen und wie gewohnt weitermachen. Doch nach einer Weile begannen viele von uns, sich überfordert zu fühlen. Zu viele, zu lange Videoanrufe senkten unsere Energie, unsere Leistung und das Gefühl der Verbundenheit.

Ein Grund dafür ist, dass unsere Gehirne nicht dafür ausgelegt sind, so viele Gesichter gleichzeitig zu "lesen". Dies macht Gruppen-Videoanrufe viel anstrengender als persönliche Treffen, bei denen wir uns jeweils auf eine Person konzentrieren können. Im wirklichen Leben erhalten wir ausserdem mehr Signale von unserem Gegenüber. Wir können uns die Hände schütteln, um Verbundenheit und Vertrauen aufzubauen, wir können die gesamte Körpersprache einer Person sehen und wir können sogar Geruchssignale wahrnehmen. Physisch zusammen zu sein, zwingt uns dazu, aufmerksam zu sein. Alleine in Homeoffice ist es leicht, Multitasking zu betreiben, doch Aufmerksamkeit, Verbundenheit und Produktivität leiden darunter.

Während der Ethical Leadership and Business Talks im Februar 2021 fragten wir uns: Wie können wir aufmerksame Präsenz, menschliche Verbundenheit und Produktivität bei Videoanrufen steigern? Hier sind einige Empfehlungen aus unserem Gespräch:

 

Erste Schritte

  • Bevor Sie einen Videoanruf planen, fragen Sie sich, ob Sie die Aufgabe genauso effizient mit einer E-Mail oder einem Telefonanruf erledigen könnten. Müssen Sie die Person zum Beispiel wirklich sehen, wenn Sie nur sachliche Informationen austauschen wollen?
  • Wenn ein Videoanruf die richtige Wahl ist, stellen Sie sicher, dass jeder und jede Eingeladene einen guten Grund hat, dabei zu sein und weiss, was von ihm bzw. ihr erwartet wird. Teilnehmende, die sich in der Rolle des "passiven Zuhörenden" wiederfinden, sind viel eher frustriert und enden im Multitasking.
  • Formulieren Sie die Tagesordnungspunkte in Form von Fragen. Zum Beispiel: Wie können wir den Umsatz des Konferenzzentrums steigern? Bitten Sie die Teilnehmenden, ihre Antworten ein paar Tage vor dem Meeting in ein gemeinsames Online-Dokument zu schreiben. So können sch alle vor dem Meeting vernetzen und sparen während des Meetings Zeit, da die Diskussion auf den bereits gegebenen Antworten aufgebaut werden kann. 
  • Vermeiden Sie PowerPoints, da diese dazu verleiten, "abzuschalten" und selten vollständig sind. Bitten Sie stattdessen die Teilnehmenden, schriftliche Unterlagen im Voraus zu verschicken, und bitten Sie sie, diese zu kommentieren und Feedback dazu zu geben.

 

Online computer, credit: Dylan Ferreira on Unsplash
Foto von Dylan Ferreira auf Unsplash

 

Richtiges Timing

Es ist als Moderator bzw. Moderatorin eine wahre Kunst, einen realistischen Zeitrahmen für jeden Tagesordnungspunkt festzulegen und einzuhalten. Es ist entscheidend, die Zeit einzuhalten, da die meisten Leute im Laufe des Tages mehrere Videoanrufe haben werden und dazwischen Pausen brauchen. Die "Reise ins Büro" dauert nur Sekunden, wenn Sie von zu Hause aus arbeiten, und wir alle verbringen zu viel Zeit im Sitzen. Als Gastgeber bzw. Gastgeberin des Meetings müssen Sie in der Tagesordnung nach jeweils 50 Minuten Zeit für eine Pause von mindestens fünf Minuten einplanen, damit sich die Teilnehmenden dehnen können. Sie können hier einige Ideen für Dehnübungen finden.

 

Realistische Zahlen

Es ist nicht nur wichtig zu überlegen, wer dabei sein sollte, sondern auch, wie viele Teilnehmende realistisch gesehen produktiv sein können. Gemäss der Zwei-Pizzen-Regel von Jeff Bezos sollten nie mehr Teilnehmende anwesend sein, als von zwei Pizzen ernährt werden können. Wenn Sie sich jedoch immer mit denselben Personen treffen, kann dies das "Out-of-the-Box"-Denken und das Bewusstsein für die Bedürfnisse verschiedener Gruppen verringern. Breakout-Räume können eine effiziente Möglichkeit bieten, um ein grösseres Meeting abzuhalten, das dennoch produktiv und inklusiv ist. Die Aufteilung eines Meetings in kleinere Gruppen gibt jedem und jeder Teilnehmenden die Möglichkeit, seine oder ihre Meinung zu äussern. Diese kann dann in Form einer Nachbesprechung im Hauptmeeting aufgegriffen werden. Viele Teilnehmenden geniessen diese kleinen Gruppen. Sie ermöglichen menschliche Verbundenheit und das gemeinsame Erledigen von Dingen - etwas, das wir vermissen, wenn wir allein in unseren Heimbüros sitzen.

 

Grundlegen festlegen

Wenn Sie sich regelmässig mit der gleichen Gruppe von Personen treffen, ist es wichtig, Grundregeln zu vereinbaren, um einen sicheren Raum zu schaffen. Einige Fragen, über die Sie nachdenken sollten, sind: Sollen Kameras und Mikrofone an- oder ausgeschaltet werden? Ist es in Ordnung, zu spät zu kommen oder ein Meeting frühzeitig zu verlassen? Möchten Sie die Teilnehmenden auffordern, Kommentare abzugeben und Fragen zu stellen? Werden Sie PowerPoints zulassen? Wie werden Sie Monologe stoppen? Diese Grundregeln müssen von allen, die an regelmässigen Meetings teilnehmen, gemeinsam erstellt und von Zeit zu Zeit überprüft werden, um sicherzustellen, dass sie immer noch relevant sind.

 

Online computer, credit: Photo by Gabriel Benois on Unsplash
Foto von Gabriel Benois auf Unsplash

 

Die Moderatorenrolle

Moderatorinnen und Moderatoren müssen nicht nur die Zeit einhalten, sondern auch dafür sorgen, dass sich alle beteiligen und eingebunden fühlen. Bereiten Sie sich vor, indem Sie sich zwischen den Meetings Zeit nehmen, sich zu dehnen, einen Moment still zu werden, in sich hineinzuhören und sich zu fragen, wie Sie sich zeigen und was Sie denen, die an dem Meeting teilnehmen, mitgeben wollen. Mehrere Studien belegen, dass Menschen sich durch Lachen verbunden fühlen, also schauen Sie sich vielleicht etwas an, das Sie zum Lächeln bringt, bevor Sie das Meeting beginnen. Es kann auch helfen, Ihr Video auszublenden, da es ablenkend sein kann, sich selbst zu beobachten und dazu führen kann, dass Sie sich unnatürlich verhalten.

 

Tipps für eine erfolgreiche Moderation

  • Wenn die Teilnehmenden eintreffen, begrüssen Sie jeden mit Namen und geben Sie fünf Minuten Zeit für ein informelles Gespräch. Um die aktive Teilnahme während des Meetings zu fördern, ist es wichtig, alle zu Beginn kurz zu Wort kommen zu lassen. Sie können einige Eisbrecher ausprobieren, um ein lebhaftes Gespräch in Gang zu bringen.
  • Bei längeren Besprechungen können Sie die Aufmerksamkeit und Beteiligung erhöhen, indem Sie den Teilnehmenden Rollen zuweisen, z. B. die Verantwortung für die Pausenräume, die Zeitmessung oder die Erfassung der Stimmung. Sie können auch einzelne Personen nach ihrer Meinung fragen, aber geben Sie ihnen immer die Möglichkeit abzulehnen, denn es geht nicht darum, jemanden unvorbereitet ins Rampenlicht zu stellen. Um Gruppendenken zu vermeiden, fragen Sie regelmässig nach: Wer hat eine andere Antwort? Das erzeugt ein wenig Spannung und erhöht die Aufmerksamkeit.
  • Wenn wichtige Entscheidungen oder Fragen anstehen, geben Sie etwas Zeit der Stille zum Nachdenken und bieten Sie eine Runde zum Gedankenaustausch an. In einem virtuellen Raum ist es viel schwieriger, die Stimmung im Raum zu spüren, also geben Sie allen etwas Zeit zum Nachdenken, damit unausgesprochene Elemente auftauchen können. Sie können auch Tools, wie Mentimeter, verwenden, um die Stimmung einzufangen. Beginnen und beenden Sie das Meeting immer in der Galerieansicht, damit sich alle sehen können und sich verbunden fühlen.

Und schliesslich sollten Sie sich hin und wieder Zeit nehmen, um mit Ihren Kolleginnen und Kollegen über ihre Erfahrungen mit der Arbeit im Homeoffice und bei Videokonferenzen zu sprechen. Dies hilft, gemeinsam die beste Mischung für aufmerksame Präsenz, menschliche Verbundenheit und Produktivität zu definieren.

 

 

Annika Hartmann

Annika Hartmann de Meuron zeichnet für Ethisches Leadership im Business verantwortlich, das internationale Führungskräfte beim Treffen ethisch fundierter Entscheidungen unterstützen möchte. Sie entwickelt ausserdem Aktivitäten für Schweizer Unternehmen. Annika hat einen Master für internationale Beziehungen sowie Geschichte und Politik studiert. Sie hat viele Jahre als Unternehmensberaterin für Soziale Verantwortung bei der Philias-Stiftung gearbeitet. Zuvor war sie im Kommunikationsbereich des Global Humanitarian Forum und einer PR-Agentur tätig.

Erfahren Sie mehr über Ethisches Leadership im Business

 

  • Foto oben und Teaser: Chris Montgomery auf Unsplash
  • Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Linkedin herausgegeben

 

 
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